Hallo und Guten Tag
Glückwunsch zu diesem jungen Forum!
Man stolpert immer wieder über die wichtig(st)en Tools – die Mikrofaser-Tücher.
Oft sagt ein Bild mehr als 1000 Worte. Manchmal kann es hilfreich sein, komplexere Umstände zu beschreiben. Ich vermute, dass ein Großteil der Leser Kriterien für wichtig oder entscheidend erachtet, obwohl sie eigentlich sekundär sind und andersrum. Insofern möchte ich neue Aspekten einstreuen und ansatzweise skizzieren.
Mikrofaser – was bedeutet das?
Im Gegensatz zur natürlichen Baumwolle handelt es sich bei der Mikrofaser um ein synthetisches Produkt, also Kunststoff. Technische Fasern zum Reinigen und Säubern bestehen meist aus Polyester und Polyamid. Jene Blends setzen sich überwiegend aus einem Faser-Verhältnis von 80/20 bis 70/30 zusammen. NYLON ist auch Mikrofaser, jedoch für andere Zwecke. So entstand dieses Designerwort in der Moderszene N.Y. und L.O.N.don.
Die Mikrofaser definiert sich über ihre Faserstärke (tex). Diese ist feiner als 1 dtex. Moderne Ultra- oder Super-Mikrofaser kann feiner als 0,4 dtex gefertigt werden. Im Vergleich dazu besitzen Feinstrumpfhosen mit 20 dtex die etwa 50-fache Faserstärke.
Allgemein zeichnen sich Mikrofaser-Produkte durch einen weichen Griff, Formbeständigkeit und Resistenz gegen Fusseln aus. China produziert etwa 10 x so viel Kunstfasern wie Deutschland. Taiwain, die U.S.A und Korea zusammen erreichen in etwa das Volumen der Chinesen.
Wie sollte man MF-Tücher pflegen?
Mit zunehmender Feinheit der Fasern, spielt die korrekte Reinigung der Tücher eine wichtige Rolle. Um die Funktion nicht zu beeinträchtigen und Verschleppungen zu meiden, dürfen nach dem Waschen keine Rückstände verbleiben. Das Waschmittel sollte nicht nachfetten und in jedem Falle flüssig sein. Mikrofaser-Waschmittel sind im Handel erhältlich, unterscheiden sich aber genauso wie Mikrofaser-Tücher in der Qualität.
60 Grad C ist eine geeignete Temperatur für die meisten Tücher. Grundsätzlich gibt es keinen Hersteller, der die maschinelle Trocknung (Wäschetrockner) explizit empfiehlt. Aus Erfahrung benötigen die Tücher nur den langsamsten Schleudergang und trocknen auch auf der Leine recht zügig.
Welches Tuch wofür?
I. dünne Tücher (bis 5mm mm Dicke) eignen sich mit der kurzen Schlaufe für Reinigungsarbeiten
II. mittlere Tücher (5 - 8 mm Dicke) eignen sich mit der langen Schlaufe für Polierarbeiten
III. dicke Tücher (ab 10 mm Dicke) eignen sich mit besonders langen Schlaufen (oder Fingern = geschnittene Schlaufen) für Finish-Tätigigkeiten.
Worauf man beim Einsatz auf Lacken achten sollte?
Aus Sicht eines Aufbereitungstechnikers für Kfz gibt es ein entscheidendes K.O.-Kriterium für Tücher, sofern diese auf empfindlichen lackierten Oberflächen eingesetzt werden sollen: die Machart (Qualität) der Kanten und Schnitte.
Hier begründen sich Schadens- und Fehlerpotenziale, die nicht mal der UK-Marketing-Paul meidet. Nähfaden, Garne und alle Fremdfasern sind tabu – wer will schon Schaden verursachen oder Silikone verschleppen?
Beispiele:
A) Wer kennt noch die eckigen Prima Monster? Wer besitzt AquaTouch oder Cobra Miracle? Und, schon was entdeckt?
Genau; es sind hin und wieder kleine schwarze Punkte in den Kettelnähten mit dem bloßen Auge auszumachen. Laser-geschnittener geschmolzener Kunststoff, den man auch ertasten kann.
B) Schon mal verwundert gewesen, weshalb trotz pedantischer Sauberkeit und neuen Tüchern das Finish nicht wolken- und schlierenfrei wurde?
Exakt; Appreturen, Silikonderivate und anderweitige Produktverschleppungen trüben das Ergebnis zuweilen erheblich.
Gemeinhin bleibt nur, trotz der Vielzahl vermeintlich spezieller Autopflege-Tücher am Markt, eine Qual der Wahl zwischen Laser-geschnitten (Feststoff-Risiko) oder Messer- und Nadelpenetration (Silikone).
Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Mikrofasertuch blau von KCU. Jedoch entspricht dies heute auch nicht mehr meinem professionellen Anspruch und dem Verlangen nach High-End.
Randnotizen
Meine Erfahrung ist eine Essenz diverser Testverfahren, der Nähe zur Industrie und täglichen Praxis über Jahre. Die ersten 100 verschiedenen Tücher haben sich allesamt als Ausschussware erwiesen, bis irgendwann das erste Tuch keine Fehlstellen auf den Probe-Lackkarten (insbesondere RAL 9005 & VW L041) hinterließ.
Der Aha-Effekt. Das Tuch war u.a. besonders weich und wichtiger noch, es war ultraschallgeschnitten. Es war weder mit Kettelnaht noch Schrägband ausgestattet. Allerdings konnte auch weder die Standfestigkeit noch der Grip überzeugen. Entsprechende Maschinen gab es seinerzeit nicht (in Europa) und spezifische Erkenntnisse fließen erst mit der Zeit ein, um das ideale Lackpflege-Tuch zu bauen.
Das ideale Lackpflege-MF-Tuch bedeutet für mich:
1. keine Kettelnaht, silikonfrei (Ultraschall-Schnitt)
2. Flächengewicht min. 400 g/m2, Faserstärke max. 0,3 dtex
3. Zwei-Seiten-Tuch (kurze Schlaufe max. 2 mm, lange Faserseite min. 9 mm)
In der Praxis bewährt sind 2-Seiten-Tücher aus vielerlei Gründen:
Vor- und Nachwischen. Reinigen und Polieren. Waschen und Trocknen.
PS: Aus Gaudi hatte ich mal zwei CG Microfiber Max Tücher bestellt. Das erste war mit Holzspänen (Fremdkörper sind nicht herstellerspezifisch) durchzogen und das zweite war durch Laufmaschen gekennzeichnet. Aber mit beiden konnte man sich an der Kante die Fingernägel feilen. Na gut, übertrieben – immerhin war es meine erste Assoziation.
Obacht: solche Tücher arbeiten auf empfindlichen dunklen Lacken nicht spurenfrei. Fernost-Massenproduktionen in 40-Fuß-Containern sowie nicht einzeln verpackte Ware birgt schlicht gewisse Risiken. Neue unverpackte Tücher sollten genau auf Fremdkörper kontrolliert werden!
Wirklich gute Lackpflege-Tücher besitzen auch keine Fahne oder einen Aufkleber. Niemand verlangt nach Klebstoff-Verschleppungen.
Die "Extratollekantenmachartdersuperlative" entpuppt sich leider nur allzu oft als Marketinggag. Hersteller und Vertriebe offenbaren selten technische Daten, die Artikelbeschreibungen und Pflegehinweise sind oft dürftig. Warum nur – sind die hightech-Produkte es nicht erstrecht wert? Gesunde Skepsis gelten lassen oder besser einmal mehr nachfragen!
Freundliche Grüße aus Berlin
B-OK